Neue Arbeit – die Arbeit, die ich tun will
Es gibt nicht mehr so viel Arbeit, die notwendig ist und zum Leben beiträgt. Vor nur 100 Jahren arbeiteten 70% aller Menschen in der Landwirtschaft, heute sind es 3% und den größten Teil machen Maschinen, die dann die Kartoffeln auf dem Feld nach Normgrößen aussortieren. Der „Rest“ wird wieder untergepflügt oder inzwischen genehmigt von Menschen für den eigenen dringenden Bedarf von Hand ausgebuddelt. Es wird ein Drittel überproduziert und dann vernichtet. Ganz schön verrückt.
Dies ist nur ein Beispiel, aber auch im Dienstleistungsbereich werden die hochtechnischen Müllentsorgungsfahrzeuge inzwischen so mit Computer-Wissen ausgestattet, dass nur noch ein Fahrer nötig ist und der Fahrzeug-Computer ist in der Lage, die Tonne zu orten, zu greifen und zu entleeren. Klar, das ist keine Arbeit, die jeder tun will. Aber wie war das früher? Es gab den häuslichen Komposthaufen und die Abfälle wurden nicht abtransportiert sondern wieder zu Humus verwandelt dem Boden zugeführt. Milch wurde in Milchkannen beim Bauern geholt zu Zeiten wenn die Kühe von der Weide kamen und im Stall gemolken wurden. Eingekauft wurde im Laden um die Ecke, wo die Dinge lose in Papiertüten gefüllt und abgewogen wurden. Es gab sehr wenig Abfallprodukte.
Arbeit, die man “wirklich wirklich tun” möchte entfaltet unglaubliche Kreativität und Schaffenskraft.
Wir sitzen aber in Fabriken an Fliessbändern, an Computern, an Telefonen und Schreibtischen und erarbeiten meistens Teilbereiche von manchmal überflüssigen Produktionen und das Ganze erleben wir kaum. Die Regale in den Geschäften sind brechend voll mit Zeug, das niemand braucht und will und auch nicht kaufen kann. Prof. Götz Werner sagt dazu, dass wir eines Tages vielleicht vor vollen Läden verhungern. Wir erleben auch nur selten den Verbraucher und sein Verhalten, seine Bedürfnisse. Das lesen wir dann allenfalls in der Zeitung weit entfernt von uns selbst. Auch in oberster Ebene der Wirtschaft und Politik sind die Zusammenhänge weit weg von den eigentlichen Bedürfnissen des Menschen und schlimmer noch, es werden Entscheidungen im Finanzwesen getroffen bei denen die Strukturen nicht mal von Fachleuten noch durchdrungen werden können und könnten damit auch durchaus außer Kontrolle geraten.
Warum nicht wieder dahin kommen, was wir eigentlich lieben und wirklich wirklich tun wollen, was uns gut tut und wir auch eigentlich nur brauchen?
Zum Beispiel:
Drei junge Leute in England, Richard, John und Adam, hatten ein Anliegen: etwas Gesundes herzustellen, das gut schmeckt und den vielen Menschen gut tut. So haben sie im Sommer 1998 auf einem Jazz-Festival in London frischen Fruchtsaft hergestellt, direkt vor Ort gepresst und den Besuchern verkauft. Sie haben 2 Abfalltonnen für die kleinen Fläschchen hingestellt und gefragt, sollen wir uns mit diesem Angebot selbstständig machen? Eine Tonne war mit JA bezeichnet und eine mit NEIN. Am Abend war die Tonne mit JA voll und sie haben am nächsten Morgen ihre feste Anstellung aufgegeben und haben dieses Geschäft gestartet.
Heute ist es ein Unternehmen mit dem Namen Innocent und in England kann man in jedem Kühlregal nicht nur die kleinen Fruchtsäfte sondern auch die kleine Mahlzeit zur Mittagszeit kaufen. Ihre Werte sind: natürliche und faire Früchte und Gemüse, nachhaltige Verpackung und Produktion, Gewinne teilen – auch mit den Menschen, die das Obst anbauen. Ihre Stiftung 2004 gegründet, unterstützt dort Entwicklungsprojekte. Sie möchten diese Welt etwas besser verlassen, als sie sie vorgefunden haben.
https://www.innocentdrinks.de/ueber_uns/
Für die Winteraktion stricken Deutschland, Österreich und die Schweiz insgesamt ca. 500.000 Wollmützchen für die Saftfläschchen und je verkaufter Flasche werden 30 Cent gespendet und auch viele ältere Menschen haben eine lustige Arbeit, die Gutes tut und eine Reihe von Wettbewerben und Anregungen nach sich zieht.
Zum Beispiel:
Ein kleiner Junge hat im Krieg in Siebenbürgen seine Familie mit Mutter, Tanten, Schwester ohne Vater versorgt mit Pilzen aus dem Riesengebirge und Fischen aus der Elbe in Tschechien und hat Schuhe genäht für Besatzer, hat aus Ruinen wieder Häuser gebaut, hat Obst auf dem Markt verkauf, war später Barkeeper auf Nordsee Inseln. Aus dem Bedarf heraus wurde er kreativ. Später übernahm er die Vertretung einer Leuchtenfirma Staff und Schwarz in Düsseldorf. Eines Tage begegnete ihm am Fahrstuhl ein Architekt aus Istanbul und er überzeugte und bekam als Autodidakt den Auftrag für die Beleuchtung der Oper dort. So folgte ein Objekt dem anderen und in den 68ern entstand die Beleuchtung der Commerzbank in Düsseldorf, die statt einer abgehängten Decke große runde Aluminium Reflektoren mit verspiegelter Glühlampe bekamen und direkt am Sockel der Glühlampe, die 1% Helligkeit und 99% Wärme erzeugt, wurde die Wärme in Rohre gesaugt und zur Beheizung der Kassenhalle verwendet. In diesen Jahren hat noch niemand an Energie sparen gedacht. Es folgten Flughäfen in aller Welt, Kirchen, Museen und Verwaltungsgebäude. Im Flughafen Hannover wurde die Beleuchtung völlig eingespart und stattdessen die beleuchtete Werbung auch für Allgemeinlicht konzipiert.
Heute gibt es die Firma Dinnebier-Licht seit über 50 Jahren noch immer in Einfachheit und Qualität einer Manufaktur und Effizienz einen Schritt voraus. Der kleine Junge von damals, Johannes Dinnebier ist heute 84 Jahre und immer noch mit dabei. „Ich habe immer nur gespielt“ ist die Zusammenfassung seines Lebens bei einem Vortrag von Schulabgängern in der Waldorfschule.
Zum Beispiel:
Robert und Marco wollten vor zwei Jahren nicht weiter am Computer für den „Fortschritt“ arbeiten und pachteten von der Stadt Berlin eine 6000 m² große Brachfläche am Moritzplatz. Mit vielen Helfern haben sie eine Garten mitten in der Stadt angelegt, der die Versorgung mit Gemüse, Kartoffeln, Salat, Bienenhonig, Früchten für alle möglich macht und, der einen Ort der Begegnung, des Erfahrungsaustauschs, des zusammen Lernens wie man lokal Lebensmittel herstellt und auch gleich verkocht und eine herrliche Speisekarte für den Sommer ermöglicht.
Es gibt freundliche Unterstützer und Sponsoren und gemeinnützige Einrichtungen, die erkannt haben, welch neue gesellschaftliche Lern-Orte diese Initiative ermöglicht. Kreuzberg hat verdichtet soziale Probleme und alte Kultur-Vielfalt macht Neues möglich. Alle arbeiten zusammen an allem und keiner hat sein eigenes Beet.
Inzwischen unterstützen die beiden Gründer Initiativen in anderen Städten, verwandelt das Hebbel Theater und ist auf der Weltausstellung in Shanghai 2011vertreten.
Und das alles am Ende einer zweiten Sommerzeit. www.prinzessinnengarten.net
So lassen sich manche überzeugte und auch mutige Initiativen aufzählen. Jeder einzelne kann auf seine persönliche Entdeckungsreise gehen – manchmal gar nicht weit nur wachsam und einfühlsam rechts und links schauen.
Für diese erste Gründung werden Kreditanträge oder Gründungszuschüssen nicht viele Chancen haben. Sich langsam und solide etwas aufzubauen, damit einen Übergang zu schaffen, ist sowieso viel gesünder. Teilzeitwünsche müssen von Unternehmen mit über 15 Mitarbeitern gewährt werden.
Vielleicht ist es ein kleiner Trost, aber ein besonders großes Gehalt ist manchmal auch eine Art Schmerzensgeld weil man sich selbst so fremd ist.
(Artikel von Christine Nordmann, Feb. 2012)